Doch was genau ist Waldbaden nun eigentlich? Ist ein Waldspaziergang schon Waldbaden oder gehört dazu mehr? Wo in Hessen kann ich Waldbaden erleben? Was kostet so ein Waldbade-Erlebnis?
In Japan wird Waldbaden mit Shinrin Yoku übersetzt. Damit gemeint ist das bewußte Erleben der Wald-Atmosphäre. Wo also könnte man besser in das Blätterrauschen und dem inspirierenden Duft von Tanne, Pilzen und Moosen abtauchen, als in einem hessischen Wald?
Verwunderlich ist es daher wohl nicht, dass in unserem schönen Hessen bereits einige Waldbade-Angebote buchbar sind (wie z.B. im Göbel’s Hotel Prinz von Hessen in Friedewald oder auch im Biohotel Forellenhof, um nur zwei Häuser zu nennen) und auch ausgebildete Waldbademeister, bei diesem besonderen Erlebnis, begleitend und anleitend zur Seite stehen.
Hört sich komisch an, doch ist so. Um Waldbaden umfänglich zu erleben, empfiehlt es sich, mit einem waschechten Waldbademeister auf Entdecker- und Erlebnistour zu gehen. Doch wo finde ich so einen Waldbademeister und was genau ist seine Aufgabe?
Um darüber mehr zu erfahren habe ich mich kurzerhand im Göbel’s Schlosshotel eingemietet und bin mit dem hessischen Waldbademeister Stefan Pruschwitz von "Sehnsucht Wald" im dichten Unterholz abgetaucht. Auf meine Frage, wie denn ein gebürtiger Oberfranke, mit touristischen Job-Stationen (wie z.B. im hessischen Borkener Seenland, für die Festspiele in Bad Hersfeld oder auch als Geschäftsführer für die Stadtenwicklung Bebra), schließlich zum Waldbaden in Hessen gekommen ist, hat er mir verraten, dass der Wald, mit seinen Düften und Stimmungen, auf ihn schon als Kind eine besondere Faszination ausgeübt hat. Diese Lust am Wald hat er nie verloren. Als er dann 2019 von der Ausbildung zum Waldbademeister erfuhr, hat er sich gleich spontan angemeldet und es bis heute nicht bereut.
„Im Wald kann ich vollständig abschalten. Es hilft mir sehr, Stress abzuschütteln und neue Motivation für meine Alltagsaufgaben zu sammeln. Der Aufenthalt in der Natur ist zusätzlich noch sehr inspirierend. Die bewusste, achtsame Beschäftigung mit den vielen Wundern im Wald ist jedes Mal von neuem eine kleine Entdeckerreise. Wenn ich beispielsweise barfüßig über den Waldboden gehe, ist das wie eine Explosion von Sinneseindrücken. Den Alltag vergesse ich dabei vollkommen. Drei Stunden im Wald sind wie ein kleiner Urlaub. Genau diese Erfahrung versuche ich auch meinen Kursteilnehmern zu vermitteln. Oft kommen sie mit Sorgen und Problemen in die Kurse. Nach dem Waldbad verlassen sie den Wald mit einem Strahlen. Diesen Zustand nehmen sie natürlich auch (zumindest) noch eine Weile mit“, erklärt Stefan Pruschwitz, auf meine Frage, was für ihn persönlich Waldbaden bedeutet.
Doch was steckt eigentlich hinter so einer Ausbildung? Wie läuft die Ausbildung zum Waldbademeister ab und wo findet die Ausbildung statt?
„Die Ausbildung zum Waldbademeister ist seit 2017 in Deutschland möglich. Waldbademeister oder auch Waldachtsamkeitstrainer sind Zertifikatsausbildungen, die teilweise über mehrere Wochen gehen und grundlegendes Methodenwissen über Waldsicherheit, Waldgesundheit, Achtsamkeitstraining und Kursorganisation vermitteln. Es wechseln sich dabei theoretische Unterrichtseinheiten mit viel Waldpraxis ab. Darauf aufbauend können Zusatzmodule erworben werden. Beispielsweise Waldbaden für Kinder und Jugendliche. Das garantiert gewisse Standards, die natürlich auch den Teilnehmern zugutekommen“, erklärt mir Stefan Pruschwitz.
Auch auf die Frage nach der Anziehungskraft und Faszination des Waldes hat Stefan Pruschwitz eine passende Antwort.
„Wenn man Waldbaden richtig macht, sich auf das HIER und JETZT konzentriert, vergeht die Zeit wie im Flug. Die Körper- und Natureindrücke sind dann wirklich sehr stark. Gesund ist Waldbaden ja außerdem auch noch! Die Forschung entdeckt immer mehr positive Aspekte eines Waldaufenthaltes, auf uns Menschen. Mit der richtigen Einstellung kann Waldbaden soviel positive Einflüsse und Eindrücke für uns, in unserer hochtechnisierten und beschleunigten Welt, geben. Dabei ist es ganz einfach, denn jeder (nicht nur in Hessen) hat ganz in seiner Nähe einen Wald, in den er gehen kann – ob mit oder ohne Waldbademeister/in.“
Auf meine Frage, ob ein Waldspaziergang dann auch wirklich schon als Waldbade-Erlebnis ausreicht, erklärt Stefan: „Natürlich ist Waldbaden mehr als ein Waldspaziergang. Bei einem Spaziergang können sich die Gedanken mit vielen Dingen beschäftigen: mit der versemmelten Mathearbeit oder mit Beziehungsstress. Der Kopf ist dann mit diesen Problemchen abgelenkt und die Achtsamkeit ist nicht gegeben. Achtsamkeitsbasiertes Waldbaden funktioniert schon etwas anders als einfach nur Spazierengehen. Beim Waldbaden liegt die Konzentration einzig auf dem aktuellen Augenblick. Wer im Wald spazieren geht oder waldbadet, der atmet die gesunde Waldluft ein. Deshalb ist auch ein Waldspaziergang eine wertvolle Beschäftigung und sollte fest in den Alltag eingebaut werden. Ein Waldbad setzt halt noch einen drauf“.
Wie bereits erwähnt, spielt der Wald bei uns in Deutschland eine große Rolle. Doch kann es sein, dass uns dieser besondere Wert des Waldes nicht bekannt war oder das wir ihn einfach nicht richtig zu schätzen wußten? Nehmen wir ihn als zu selbstverständlich hin?
„Wer die Japanische Kultur kennt, weiß auch dort haben Wälder eine große Bedeutung. Waldbaden ist dort aufgekommen, weil sich findige Wissenschaftler halt zuerst in Japan mit den positiven Auswirkungen der Waldatmosphäre konkret beschäftigt haben und daraus das Programm Shinrin Yoku entwickelten. Forscht man aber ein bisschen, so zeigt sich, dass es ähnliche Ansätze schon früher in vielen anderen Ländern gab, die aber nicht so konsequent verfolgt wurden. Daher schwimmt Japan momentan oben auf der Welle. Aber schon Sebastian Kneipp hat zu einer Zeit die positive Wirkung des Waldes im Heilungsprozess beschrieben.
In den Wald gehen scheint mir bei uns Deutschen schon ausgeprägter zu sein, als in anderen Ländern und Kulturen. Deutschland ist ein Waldland. Diese Tatsache hat die Entwicklung der Deutschen immer beeinflusst. Die Menschen pflegen diese Beziehung noch immer. Jetzt, wo viele in Ballungsräumen leben oder beruflich stark eingespannt sind, macht sich die Sehnsucht nach Wald, damit auch die Sehnsucht nach Natur und Ruhe wieder stärker bemerkbar“, erklärt Stefan Pruschwitz zu den Hintergründen.
Zugegeben, ist das sicherlich eine ganz subjektive Betrachtung und vor allen Dingen eine sehr schwere Fragestellung. Wir haben uns trotzdem getraut, den Waldbademeister nach seinem persönlichen Tipp zu fragen.
„Unter meiner Buche an der Stellerskuppe bei Bad Hersfeld“, lacht Stefan Pruschwitz. „Toll fand ich es aber auch in einem Waldstück im Odenwald und besonders mystisch ist ein Buchenwald im Knüll“, fasst er weiter zusammen.
„Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, weil es auch von der eigenen Stimmung abhängt, welche Waldform gerade als am schönsten empfunden wird. Im Mischwald ist es anders als im Nadelwald. Das Wetter spielt eine Rolle. Oft sind es einzelne Bäume, zu denen wir uns hingezogen fühlen. Ich liebe im Frühling Birkenwälder, die es überall gibt. Die haben was von Aufbruchstimmung. Im Herbst, also im Indian Summer, sind die Farben eines Laub-Mischwaldes unschlagbar. Jede Jahreszeit, jede Stimmung bevorzugt seinen Wald“, erklärt Stefan abschließend.
„Der fortlaufende Genuss von Stracke hat wohl einen hessischen Adaptionsprozess in Gang gesetzt“, schmunzelt er abschließend zu meiner Frage, ob er sich denn mittlerweile auch nicht nur als hessischer Waldmann sondern auch als hessischer Landsmann bezeichnen würde?
Hessen ist ein Bundesland der Wälder. Schöne Wälder gibt es im Odenwald, Spessart, Reinhardswald, Knüll und/oder in der Röhn, nur um einige zu nennen. Wunderbar ist, von jedem Ort sind tolle Wälder in Hessen schnell zu erreichen. Gerade in Verbindung mit Wanderwegen können Waldgänger die Wälder gut und sicher erleben. Wir Hessen müssen auf alle Fälle nicht in die Ferne, um Waldbaden zu gehen. Ein echter Luxus!
Absichtslosigkeit ist das Schlagwort. Alles kann - nichts muss! Waldbaden ist dann besonders schön, wenn man sich einfach treiben lässt und die Angebote des Waldes dankbar annimmt.
Wer dabei achtsam ist, also seine Aufmerksamkeit auf das HIER und JETZT lenkt, wird tiefe Entspannung erfahren. Waldbaden hat nichts mit Schnelligkeit und Leistungsstreben zu tun. Wer sich damit schwer tut, dem empfiehlt Stefan Pruschwitz den Gang in den Wald mit einer/m Waldbademeister*in oder Waldachtsamkeitstrainer*in, der/die gezielt die Aufmerksamkeit der Teilnehmer auf bestimmte Dinge richtet und Impulse setzt. Waldbaden in der Gruppe ist insbesondere auch für diejenigen geeignet, die sich alleine im Wald nicht sicher fühlen.
Grundsätzlich ja. Wer eine normale Gesundheit hat und sich gut bewegen kann, für den ist Waldbaden von 0-99 super geeignet. Wer unter gesundheitlichen Problemen leidet, sollte zum Waldbaden nur in Begleitung gehen und die Begleitperson vorher über die individuellen Einschränkungen aufklären. Waldbaden unterstützt, durch seine positiven Indikationen, auch viele Genesungsprozesse. Aber dies sollte zur Sicherheit immer vorab geklärt werden. Ein/e gute/r Waldbademeister/in sollte hierzu auf alle Fälle in der Lage sein.
In Hessen ist die Gutshofakademie in Großropperhausen zu nennen, wo auch Stefan Pruschwitz seine Ausbildung absolviert hat. Daneben empfiehlt der Waldbademeister die Deutsche Akademie für Waldbaden und Gesundheit in der Pfalz, die neben der Grundausbildung auch viele Fortbildungsmodule anbietet und ein tolles Netzwerk zwischen den Absolventen aufgebaut hat.
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Zum kompletten Erlebnisbericht unserer Wellnessbloggerin -> Waldbaden in Hessen in Göbel's Schlosshotel