preloader-image
Land und Leute

Vergangenheit zum Anfassen

Copyright Eye Icon© Roman Knie

Top 4 Fachwerkstädte in Nordhessen

Holzbalken in einer Fassade setzen starke Kontraste. Die Bautechnik aus Stein, Lehm und Holz ist nachhaltig und sorgt für ein gutes Raumklima. Und wunderschön sieht’s auch aus … Die Handwerkskunst vergangener Jahrhunderte kann man besonders gut in Nordhessen erleben. Denn dort, an der Deutschen Fachwerkstraße, liegen viele Städte, deren Gässchen von imposanten Fachwerkbauten gesäumt sind.

Größtenteils entstanden die Fachwerkhäuser in der GrimmHeimat NordHessen im 16. bis 19. Jahrhundert – sie liegen in den Städten und Dörfern entlang der „braunen Route“ der Deutschen Fachwerkstraße, die von der Elbe im Norden bis zum Bodensee verläuft. An der Größe der Gebäude und dem Schmuckwerk bzw. den Schnitzereien siehst du, wie reich die einstigen Besitzer waren: Und in Nordhessen gibt’s alle Arten von Bauten – von der einfachen Fachwerk-Bauernscheune bis zum verspielten Schlösschen aus Holz, Lehm und Stein. Schau dir bei deiner Tour die Fassaden und ihre Baukonstruktion genauer an und stell’ dir vor, wer das jeweilige Gebäude wohl erbaut und bewohnt hat. Unternimm eine kleine, spannende Zeitreise …

...nach Fritzlar

Was auch immer man in Fritzlar macht – ob man im Hotel übernachtet, zum Optiker geht oder einen Bankautomaten sucht: Fast immer landet man im Inneren eines der perfekt renovierten, oft reichverzierten Fachwerkhäuser dieser anmutigen Kleinstadt südwestlich von Kassel. Seinen frühen Anfang nahm Fritzlar durch eine Kloster- und Kirchengründung des berühmten Bonifatius. Und im Jahr 919 nahm dort auf dem Reichstag mit der Wahl von Heinrich I. zum König der Deutschen das mittelalterliche Deutsche Reich seinen Anfang. Es ging dann nicht ganz so weltbewegend weiter, aber dafür haben die Menschen im Lauf der Jahrhunderte viele wundervolle Fachwerkhäuser innerhalb der Stadtmauer von Fritzlar gebaut. Selbst der romanische Dom St. Peter – eines der wichtigsten Baudenkmäler in Nordhessen – hat einen Fachwerkanbau. Fritzlars Altstadt erläufst Du Dir am besten, den Blick natürlich meist nach oben gerichtet, zu den Fachwerkmustern, Erkern, Türmchen, Schnitzereien der Häuser. Vor allem rund um den Marktplatz spielt im Sommer das Fritzlarer Leben. Besonderes Augenmerk verdienen das Hochzeitshaus und das benachbarte Patrizierhaus mit Ausstellungen zur Regionalgeschichte. Derzeit kannst du die beiden prachtvollen Fachwerkbauten allerdings nur von außen ansehen, das Museum wird neu konzipiert.

...nach Frankenberg

Fachwerkhäuser sind wunderschön anzuschauen – aber sie hatten in vergangenen Jahrhunderten, als man noch stärker auf offene Feuer angewiesen war, einen entscheidenden Nachteil: Sie gerieten leicht in Brand. Frankenberg etwa fiel am 9. Mai 1476 fast komplett einem Feuer zum Opfer, ein traumatisches Erlebnis für die Stadt und eine schwere Zäsur in ihrer Geschichte. Damals war die nordhessische Stadt, die an der Eder liegt, nämlich eine blühende, recht bedeutende Stadt, weshalb die Bürger den Wiederaufbau natürlich auch sofort in Angriff nahmen. 1509 etwa begann man mit dem Bau eines prächtigen, zehntürmigen (!) Rathauses, das noch heute das Selbstbewusstheit ausstrahlende Wahrzeichen von Frankenberg ist – und das jederzeit die glaubwürdige Kulisse in einem Märchenfilm abgeben würde. Das schöne Fachwerkstädtchen, das du heute erlebst, entstand also weitgehend im 16. Jahrhundert. Neben dem Rathaus, solltest du dir auf jeden Fall das Steinhaus ansehen – es ist das älteste profane Gebäude der Stadt, da es den Brand weitgehend überstand. Heute ist dort unter anderem die Stadtbibliothek untergebracht. Und noch ein Tipp: Leih dir ein Rad und fahre zur Walkemühle hinaus – ebenfalls ein schönes Fachwerkgebäude und heute ein Landgasthof mit Biergarten unweit der Eder. Einst wurden dort Tuche gewalkt, heute ist die Walkemühle ein idyllischer Genussort am Radweg von Frankenberg zum Edersee.

...nach Eschwege

Über 1000 Jahre alte und mehr als 1000 Fachwerkhäuser: Eschwege liegt unweit der Grenze zu Thüringen direkt an der Werra – und ist ein tolles Reiseziel für Menschen, die Fachwerk lieben, aber auch gern draußen in der Natur sind. Rund um den nahe gelegenen Werratalsee breitet sich eine reizvolle Mittelgebirgslandschaft aus. Aber beginnen wir mal in der Stadt mit ihren reich verzierten Fachwerkhäusern der Altstadt, zwischen denen du fast keine modernen Gebäude entdecken wirst. Lass dich treiben – und lege im Sophiengarten und im Zinnfigurenkabinett einen Stopp ein. Der Sophiengarten ist eine grüne Oase mitten in der Stadt, in der es einen Kloster- und einen Bürgergarten gibt. Das Eschweger Zinnfigurenkabinett erzählt 5000 Jahre Weltgeschichte im Miniaturformat. Auch Eschwege kommt natürlich in den über 200 Dioramen mit 20.0000 Figuren vor. Unterwegs in der Stadt solltest du dir folgende Häuser anschauen: das ehemalige Landgrafenschloss mit  dem Frau-Holle-Brunnen, das Alte Rathaus mit Flachschnitzereien und Glockenspiel sowie das Raiffeisenhaus, ein besonders schönes Fachwerkgebäude in der Altstadt. Und falls du Lust auf einen Perspektivwechsel hast: Auf der Werra kannst du natürlich auch ganz lässig mitten durch die Altstadt paddeln.

...nach Melsungen

Das Mädchen hat die langen Haare zu dicken Zöpfen geflochten und geht barfuß durch die Stadt. Eine Gans watschelt neben ihr übers Pflasters, vier marschieren vorneweg. Seit 1999 steht die Figurengruppe der Gänsemagd vor dem ehemaligen Marstall beim Schloss. Sie erinnert daran, dass Melsungen mal von der Land- und Forstwirtschaft lebte. Und sie zitiert natürlich das gleichnamige Märchen. Das Melsunger Landgrafenschloss wurde von 1550 bis 1557 als Jagdschloss für Landgraf Philipp den Großmütigen gebaut – heute sind Schlosshof und -garten Orte für besondere Veranstaltungen wie das Mittelalterfest und das Event „Verzauberter Schlossgarten“, ein sommerliches Livemusik-Programm der Stadt südlich von Kassel. Melsungen hat viele wildromantische Ecken – und eine geschlossene Fachwerk-Altstadt mit einem prachtvollen Rathaus. Mehrfach begegnet dir in der Stadt noch eine weitere Figur, und zwar die des Bartenwetzers – das nicht etwa ein Mann, der anderen den Bart stutzt, sondern ein Holzfäller. Denn Barten waren im Mittelhochdeutschen Äxte oder Beile. Und ein Teil der Melsunger lebte einst vom Holzeinschlag. Eine Bartenwetzer-Statue steht vor dem Rathaus, zwei kannst du auf der steinernen Bartenwetzerbrücke sehen, die Ende des 16. Jahrhunderts gebaut wurde und als eine der schönsten Brücken in der Region gilt. Sie überspannt mit sechs Bögen die Fulda. Und warum heißt sie Bartenwetzer-Brücke? Weil die Holzfäller dort einst in dem weichen Stein der Brüstung ihre Beile schärften. Die tiefen, runden Einkerbungen im Geländer kannst du noch sehen und ertasten – so fühlt sich lebendige Geschichte an. Und die ist typisch für Nordhessen.

MEHR VON
LAND UND LEUTEN