Hessens kleinste Fährverbindung über die Lahn bei Weilburg

Sobald Stefan Peter am Stahlseil zieht, gleitet das Schiff scheinbar mühelos über das Wasser...

 

„Wenn es einmal rollt, dann rollt es,“ beschreibt der Weilburger seine Tätigkeit. Ein Ehrenamt, dass er seit Pfingsten gerne jeden Sonntag ausübt. Nur wenige Schritte von der wunderschönen Weilburger Altstadt entfernt, wartet das Rollschiff am Ufer der Lahn. Ganz in der Nähe rauscht ein kleiner Wasserfall, ansonsten ist es idyllisch still hier. Bis der Fährmann zum Seil greift. Dann setzt sich das kleine Stahlschiff mit maximal 12 Personen an Bord schnarrend in Bewegung und rollt gemütlich die etwa 50 Meter zur anderen Uferseite. Peter zieht es per Hand über Rollen, zwischen denen das Seil gespannt ist. Daher kommt der Name Rollschiff und „nicht etwa, weil es am Boden auf Rollen fährt,“ erklärt der 36jährige. Lange dauert die Überfahrt nicht, aber in Eile ist hier auch niemand. „Ich lasse mir gerne Zeit beim Übersetzen. Zwei bis drei Minuten dauert es dann schon. Und gerade die älteren Leute, die mitfahren, unterhalten sich auch gerne.“ Ein Fotostopp auf halber Strecke ist auch kein Problem. Oder der junge Fährnachwuchs darf auch mal am Seil ziehen. Das Gefährt mit über 300jähriger Geschichte soll schließlich noch lange in Betrieb bleiben. 

160 km Flusserlebnis pur

Das Rollschiff liegt in seiner Saison zwischen Pfingsten und Herbstanfang bei Kilometer 41 der Lahn. Insgesamt lassen sich Lahn und Lahntal ab Marburg auf etwa 160 Flusskilometer entdecken. Die erste Einstiegsstelle für Wasserwanderer ist südlich von Marburg im Weimarer Ortsteil Roth. An 40 Ein- und Ausstiegstellen können Wasserwanderer individuell ihre Touren planen. One-Way-Tickets bieten die Möglichkeit, ins Kajak oder Kanu am Startpunkt einzusteigen und es am Endpunkt wieder abzugeben. Die Lahn fließt langsam und gemütlich, ist daher auch für Anfänger oder Familien geeignet. Ruhe und Abgeschiedenheit findet man hier ebenso wie spektakuläre Postkarten-Motive, wenn sich bei Limburg zum Beispiel der Dom mit seinen sieben Türmen eindrucksvoll ins Blickfeld schiebt. Mittendrin in unberührter Natur grüßt dann im Dunst der Morgendämmerung der Graureiher am Ufer. Lahnabwärts sorgen aber auch zahlreiche Schleusen für ein bisschen Abenteuer auf dem Fluss, sie müssen alle per Hand bedient werden. 

Hunde fahren umsonst mit

Reine Muskelkraft bewegt auch das Rollschiff seit 1691 von Ufer zu Ufer. Wer sich von Stefan Peter auf der altstadtnahen Seite übersetzen lässt, findet sich auf der anderen Seite auf dem Lahnwanderweg wieder. Der Waldweg, stellenweise direkt am Felsen entlang, ist eine schattige Abkühlung gerade an heißen Sommertagen. Pro Überfahrt zahlen Erwachsene 50 Cent, Kinder bis 14 Jahre die Hälfte. Auch Fahrräder oder Hunde dürfen mit auf das Rollschiff und die Vierbeiner fahren sogar umsonst mit. „Anfangs sind die Hunde immer ganz vorsichtig, weil der Boden so schaukelt. Aber schon beim zweiten Mal springen sie einfach drauf, wie nichts,“ freut sich der Fährmann. Besuch von erfahrenen Kollegen hatte er auch schon. Ein pensionierter Fährmann kam extra aus Rüdesheim, um sich die kleine Flussverbindung anzusehen. Das Ehrenamt macht dem Weilburger Spaß und die Passagiere danken es ihm: „Die sind alle begeistert – nicht nur wir Weilburger – dass es noch in Betrieb ist.“ Die Überfahrt ist auf jeden Fall ein nostalgisches Erlebnis und ein Geheimtipp für jeden, der im Lahntal unterwegs ist – egal ob auf oder neben dem Fluss.

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