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Genuss

Rote Reben, weisser Saft

Zwischen Burgen und Weinbergen

Deutschlands kleinstes Weinanbaugebiet ist das größte für Roten Riesling. Roter Riesling? Eine Neuschöpfung findiger Werbestrategen? Nein, eine historische Sorte. Die Hessische Bergstraße macht sich verdient um ihren Erhalt.

Wein von der Bergstraße

Queen Elizabeth war letztes Jahr so etwas wie die ungekrönte Bergsträßer Weinkönigin. Zumindest für einen Tag. Denn anlässlich ihres Deutschlandbesuchs wurde ihr im Frankfurter Römer ein feinherber Riesling kredenzt. Herkunft: Bensheimer Kalkgasse, Hessische Bergstraße. Dem Vernehmen nach soll er dem königlichen Gaumen sehr gemundet haben. Wer nun rasch zum Hörer greift, um beim Hessischen Staatsweingut ein Kistchen zu ordern, den müssen wir enttäuschen: der 2014er-Jahrgang ist dank der royalen Publicity bereits ausgetrunken. Das macht aber nichts. Denn in der Region gibt es zahlreiche Alternativen. Groß im Kommen sind Weine der Rebsorte Roter Riesling. Der Name ist irreführend, es handelt sich um Weißwein. Lediglich die Schale der Beere hat eine rötliche Färbung. Ansonsten sind die Sorteneigenschaften denen vom Weißen Riesling sehr ähnlich. Winzer und Rebveredler Reinhard Antes war einer der Ersten, die auf die Sorte gesetzt haben. Wieder auf sie gesetzt haben, muss man sagen, denn die rote Variante wurde schon im Mittelalter angebaut und nun wiederentdeckt. „Bei dem Namen denken viele Leute, es handele sich um eine Neuzüchtung oder einen Marketinggag. 

Lange Zeit glaubte man, der Rote Riesling sei der Urriesling“, sagt Antes und erklärt: „Neue Untersuchungen des Julius-Kühn-Institutes belegen aber, dass der Rote Riesling durch Farbmutation aus dem Weißen Riesling entstanden ist.“ Die rote Variante geriet dann jedoch in Vergessenheit. Dabei bietet sie beim Anbau handfeste Vorteile: Dank der roten Farbgrundstoffe trotzen die Trauben der Hitze besser als die weißen. Kein unwichtiges Argument in einer der wärmsten Regionen Deutschlands. Das sieht auch Reinhard Steinbacher vom Weingut Hanno Rothweiler so: „Der Rote Riesling ist sehr widerstandsfä­hig, er braucht weniger Wasser und hat eine dickere Haut.“ Das Weingut aus Bensheim-Auerbach baut die rote Variante seit 2009 an. Und das aus gutem Grund: „Weine aus Rotem Riesling sind extraktreicher und vollmundiger als die aus Weißem – und die Mostgewichte sind etwas höher“, sagt Steinbacher.

Neben dem Weingut Rothweiler und Reinhard Antes, der seine Weine über die Bergsträßer Winzergenossenschaft vermarktet, setzen in der Region noch einige andere Betriebe auf Roten Riesling. Über 15 Hektar Anbaufläche sind es mittlerweile insgesamt. Das ist immer noch eine geringe Größe, nicht jeder springt auf den Zug auf. Antes ist dennoch überzeugt: „Bei den Nachbarn in Rheinland-Pfalz warten schon rund 50 Betriebe auf die Erlaubnis, Roten Riesling anzubauen. Das zeigt das riesige Interesse – wir haben Glück, dass das Regierungspräsidium Darmstadt, Dezernat ‚Weinbau’, so schnell reagiert hat. So darf sich die Bergstra­ße als weltweit größtes Anbaugebiet für Roten Riesling bezeichnen“, sagt er augenzwinkernd. Für Antes zählt aber nicht nur der wirtschaftliche Aspekt: „Mit dem Anbau der historischen Sorte erhalten wir genetische Ressourcen. Diese wollen wir für die nachfolgenden Generationen sichern.“ Gemeinsam mit anderen Bergsträßer Winzern sucht Antes daher nach vergessenen Rebsorten. Im Weingarten am Steinkopf wird noch eine Reihe anderer alter Rebsorten angebaut. Dr. Jutta Weber vom Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald ist glücklich über dieses Engagement: „Der Erhalt der Artenvielfalt hat immer eine naturpflegerische und eine gesellschaftliche Seite.“ Und sie ergänzt: „Überhaupt tut der Weinanbau viel für die Kulturlandschaft. Ohne Winzer wäre der ganze Bergstraßenhang verwildert, statt Wein wüchsen Büsche und Brombeeren.“ 

Hessen Agentur_Paavo Blåfield
Immer am 3. Oktober veranstalten die Bergsträßer Winzer eine Herbstwanderung – natürlich inklusive Weinverkostung.

Zusammen mit den Winzern hat die Fachgeologin 2007 den Erlebnispfad „Wein und Stein“ in Heppenheim eingerichtet. Der sieben Kilometer lange Weg windet sich durch die Weinberge und erläutert an 70 Stationen Wissenswertes rund um das Zusammenspiel von Natur, Erdgeschichte, Kultur und regionaler Identität. An einer Aromabar kann man die verschiedenen Düfte von Rebsorten erraten, an Tafeln werden die verschiedenen Phasen des Weinanbaus veranschaulicht, ganz nebenbei erfährt man, dass die zwischen den Rebstöcken gepflanzten Weinbergpfirsiche und Mandelbäume Lebensraum für Insekten sind, die die Trauben auf natürliche Weise von Schädlingen befreien. Ranger und ehrenamtliche Einheimische bieten geführte Touren an. „Wichtig war uns bei der Konzeption des Weges, dass das Erleben und Entdecken im Vordergrund stehen, es geht um das Eintauchen in die Landschaft“, sagt Dr. Weber. Und das gelingt hier oben leicht – fast schon mediterran wirkt die Vegetation der Bergstraße, die sich von Darmstadt bis hinunter nach Heidelberg erstreckt. Als Kaiser Joseph II. die Region durchquerte, soll er sogar verzückt ausgerufen haben, hier beginne Italien.

Am Ende des Rundweges „Wein und Stein“ bietet sich ein Abstecher ins Viniversum an. In der multimedialen Vinothek kann man die Weine der Bergsträßer Winzergenossenschaft verkosten, sich in einer Leseecke mit Fachliteratur eindecken und jeden Freitag an einer Kellerführung teilnehmen. Natürlich gibt es auch diverse Ausführungen vom Roten Riesling – wie sollte es auch anders sein, im weltgrößten Anbaugebiet der Rebsorte. 

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