Hier kann man 2.500 Jahre Geschichte erleben
Römische Legionäre, geheimnisvolle Kelten und ein berüchtigter Räuberhauptmann – in der waldreichen Gegend des Taunus haben Menschen unterschiedlichster Epochen ihre Spuren hinterlassen. Auf dem Limeserlebnispfad lässt sich das Vermächtnis einer Weltkultur erwandern.
Die Römer in Hessen
Wie wird er sich gefühlt haben? Jener junge Legionär, der vielleicht aus Kalabrien stammte und sich nun wiederfand in einer Landschaft, die so viel wilder und geheimnisvoller wirkte als die seiner Heimat: voll dichter Wälder, die sich über endlose Gebirgsketten erstreckten, bevölkert von Menschen, die man Germanen nannte, über die er kaum etwas wusste, gegen die er sich aber im Notfall mit allen Mitteln zu verteidigen hatte.
Die Geschichte weiß nichts über diesen Legionär, doch die Orte, an denen er gelebt hat, sind immer noch auffindbar. Vielleicht war es eines jener Kleinkastelle, die sich entlang des Limes reihten, und deren Fundamente heute noch immer ins Auge fallen. „Man nimmt an, dass in diesen Kleinkastellen jeweils zwanzig bis dreißig Legionäre stationiert waren“, erläutert Susanne Weidert Horn, die über die Befestigungsanlage ebenso viel zu erzählen weiß wie über die Landschaft des Taunus. Wer erfahren möchte, wie die Römer hier vor zweitausend Jahren lebten, sollte sich mit der kundigen Naturparkführerin auf den Weg machen.
Der dreißig Kilometer lange Limeserlebnispfad Hochtaunus gehört zu den spannendsten und besterhaltenen Abschnitten dieses einzigartigen Bodendenkmals, das das Römische Reich einst auf über 550 Kilometer Länge quer durch Mitteleuropa errichtete. Eine echte Verteidigungsanlage war das antike Großbauprojekt zunächst jedoch kaum. Susanne Weidert-Horn zieht eher den Vergleich mit einem Gartenzaun, der lediglich als Abgrenzung gegen die Nachbarn dienen sollte. „Am Anfang war hier nur ein Pfostenweg mit Holztürmen, erst in den späteren Bauphasen wurden Palisadenzäune, Gräben, Türme aus Stein und andere befestigte Bauten errichtet“, erzählt die Naturparkführerin.
Das alles liegt in Hessen gleich um die Ecke: Von der Metropolregion Frankfurt aus ist der dreißig Kilometer lange Lehrpfad innerhalb weniger Autominuten zu erreichen. Wanderer oder Radfahrer, die sich am Startpunkt Glashütten auf den Weg machen, befinden sich unversehens auf einer Zeitreise, die nicht nur Einblicke in die römische Kultur eröffnet, sondern auf familienfreundlichen Wegen durch eine der schönsten Regionen des Taunus führt.
Auf gut ausgeschilderten Pfaden des UNESCO-Weltkulturerbes Obergermanisch-Raetischer Limes geht es durch nahezu unberührten Mischwald, entlang idyllischer Bachläufe und zu den Aussichtsplattformen des Großen und Kleinen Feldbergs sowie des Altkönigs, die wunderbare Panoramen auf eine gebirgige, waldreiche Umgebung eröffnen. Die Gegend begeisterte schon Victoria Kaiserin Friedrich, die sich 1894 auf ihrem Schloss, dem heutigen Schlosshotel, im nahen Kronberg niederließ und deren Sohn, Kaiser Wilhelm II., der sich für den Wiederaufbau des Römerkastells Saalburg einsetzte. Die aufwendig rekonstruierten Gebäude der Verteidigungsanlage bilden einen eindrucksvollen Kontrast zur urwüchsigen Natur des Taunus. Im Verlauf der Route stoßen Wanderer auf zahlreiche Wachtürme, vier kleine und zwei größere Kastelle sowie auf das Kastell Saalburg, das den historischen Höhepunkt des Pfades darstellt. In dem einzigen vollständig wiederaufgebauten Römerkastell entlang des Limes erzählen archäologische Funde, aufwendige Rekonstruktionen sowie inszenierte Räume und Modelle vom Leben und Alltag in einer hochentwickelten Militäranlage, zu der nicht nur Mannschafts-, Versorgungs- und Verwaltungsgebäude, sondern auch ein Dorf, mehrere Tempel, Gaststuben und Badehäuser gehörten. In der 2016 neu eröffneten Dauerausstellung wird die Urgeschichte dem Besucher noch besser erlebbar gemacht.
Spannende Geschichte und herrliche Natur lassen sich im Taunus nicht nur entlang des Limes entdecken. Schon vor den Römern haben sich die Kelten hier angesiedelt und im heutigen Rhein-Main-Gebiet die erste größere Stadt der Region errichtet. Der Keltenrundwanderweg in Oberursel führt an den noch heute sichtbaren Mauerwallanlagen jener Stadt vorbei und kann im Rahmen einer gemütlichen Nachmittagswanderung bewältigt werden. Wer mehr über dieses geheimnisvolle Volk wissen will, sollte das Vortaunusmuseum in Oberursel besuchen, in dem Fundstücke der keltischen Ringwallanlage ausgestellt sind. Einflüsse auf die Region haben auch die Hugenotten hinterlassen, die im 17. Jahrhundert hochgeschätzte Handwerkskünste mitbrachten.
Auf ihre Spuren kann man sich auf dem Kulturfernwanderweg Hugenotten- und Waldenserpfad begeben, der den Taunus von Bad Homburg bis Friedrichsdorf durchläuft.
Weniger willkommen als die fleißigen Franzosen war dagegen der berühmtberüchtigte Räuber Johannes Bückler, besser bekannt als „Schinderhannes“, der hier um 1800 sein Unwesen trieb und um den sich etliche Legenden ranken. Auch ihm wurde ein Wanderweg gewidmet: Der 184 Kilometer lange Schinderhannes-Pfad führt an zahlreichen Sehenswürdigkeiten des Naturparks Taunus vorbei, der 38 Kilometer lange Abschnitt „Taunus-Schinderhannes-Steig“ ist sogar als Qualitätswanderweg zertifiziert. Wohin man in dieser Region auch geht, man stellt immer wieder fest: der Taunus ist ein großes Geschichtsbuch.